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Das kalte Licht
Angrosch warf einen weiteren, hastigen Blick über seine
Schulter. Seine Füße schmerzten ihm, und es war ihm unmöglich geworden, sich
noch lautlos zu bewegen, da seine dicken Lederstiefel bereits von seinem
Schweiß durchtränkt waren und es bei jedem Schritt unangenehm blubberte. Das
Licht schoss weiter auf ihn zu, doch obwohl es heller strahlte als alles
andere, was der Zwerg je gesehen hatte, war es von Finsternis umgeben. Eine
weitere Biegung ließ den Zwerg sich wieder sicherer fühlen. Hier war er zu
Hause. Er kannte den Berg besser als jeder andere, so dachte er sich. Das Licht
riss ihn wieder aus seinen Gedanken und er rannte weiter. Gleich war er da. Die
schwere Holztür ließ sich bereits erkennen, trotz der Dunkelheit, die ihn
umgab. Die Tür ist genau vor ihm. Verschlossen. Der Zwerg wandte sich um,
Schweiß tropfte von seiner Stirn, sein Bart war schon aalglatt geworden.
Nichts. Es war verschwunden. Aber was war es überhaupt?
Angrosch rüttelte etwas an der Tür. Ein Glück, sie klemmte nur. Schützend hob
er die Hände vor sein Gesicht, als schwache Lichtstrahlen aus dem kleinen Spalt
schienen. Es ist nur eine Fackel, sagte der Zwerg sich. Vorsichtig schloss er
die Tür wieder hinter sich, ging die steinerne Wendeltreppe hinauf in seine Stadt.
Die Stadt, die ihm Sicherheit versprach, doch der Feind stand schon von den
Toren. Er musste sie warnen. Schnell stapfte er durch den langen Flur, bedachte
die grüßenden Zwerge oft nur mit einem hastigen Nicken. Ratlose Gesichter
folgten ihm, als er sich abermals nach rechts wandte, die nächste Treppe empor
zu steigen.
Die beiden Zwerge standen starr auf ihrem Platz. Als sich Angrosch näherte,
schoben sie ihre großen Hämmer in Kreuzform übereinander. ,,Was führt euch zu
ihm?“ quoll eine Stimme unter der eisernen Maske des Linken hervor. ,,Gar
seltsame Dinge passieren in unserem Berge, auch herum können wir uns nicht mehr
sicher fühlen.“ raunte Angrosch, noch immer außer Atem, den beiden zu. „Wessen
Werk ist es?“ wandte sich nun auch der Rechte zu Angrosch. „Die Elemente sind
verschmolzen“ bedachte Angrosch ihn. „Ihr hattet Glück.“ - „Ja.“. Die starren,
eisernen Masken blickten sich aus leer an. Behutsam schoben sich die Hämmer
wieder zurück und wurden auf den Boden gestützt. „Er wird nicht erfreut sein.“ Brachte
der linke Zwerg hervor, als er die Eisentür mühelos mit seiner linken Hand
aufdrückte.
Sein
Gegenüber bedachte Angrosch mit einem ernsten Blick. „Wovon redet ihr? Es gab
keine Unruhen in dieser Gegend für viele hundert Jahre! Und nie bahnten sich solche
an! Bruder, es ist gewiss, ihr seid etwas wirr im Kopf. Sagtet ihr nicht, dass
ihr im Bergbau tätig seid? Ein Stein mag euch auf den Kopf gefallen sein. Seht
doch, euer Helm, er ist ganz zerbeult!“ Und wirklich, Angroschs Helm war
zerbeult. Doch war er es nicht, weil ihm ein Stein auf den Kopf gefallen ist,
sondern aus einem anderen Grunde. Er hatte so sehr geschwitzt auf seiner
Flucht, dass er sich den Helm locker schnallte, worauf er bei seinem hin und
her wackeln häufig gegen die Wand schlug. Angrosch wandte sich dem alten zu:
,,Herr, die Beulen, sie sind anderer Herkunft. Was ich sage, ist wahr.“ Der
alte Zwerg musterte ihn misstrauisch. Angrosch wirkte verzweifelt. Er brummte
vor sich hin: ,,die Elemente... sie sind verschmolzen...“ Der Zwerg stand auf.
„Wie könnt ihr behaupten, die Elemente wären verschmolzen? Macht euch klar,
Feuer wird nie mit dem Wasser verschmelzen, denn es wird erlischen.“ Angrosch
sah ein weiteres mal verzweifelt zu ihm hinauf. Der König starrte mit festem
Blick zurück. Als einige Zeit verstrichen war, wandte er sich an die Wache, die
am Eingang der Halle wartete. „Führt ihn zurück. Er braucht Ruhe.“
Entgeistert sag Angrosch zu seinem König empor. Dies war das Vorbild eines
jeden jungen Zwerges gewesen, ja sogar seiner selbst? „Da sitzt er, auf seinem
steinernen Thron, lässt dich wegschaffen, glaubt seinen Brüdern nicht,“ dachte
sich Angrosch, „er glaubt dir nicht, denn er ha Angst. Angst, von seinem Thron
aufzustehen, Angst, nicht mehr auf ihn zurückzukehren. Angst, sein Gesicht zu
verlieren.“
Angrosch streckte seine Arme von sich. Er hatte wirklich etwas Ruhe gebraucht
und hatte geschlafen. Sein Blick fiel auf die kleine Glocke, die ihm die Wache
mitgegeben hatte. Er solle nur läuten, wenn es ihm schlecht ginge, hatte sie
gesagt. Wütend warf Angrosch das Ding in die Ecke. Seine Zimmertür öffnete sich
einen Spalt, und die Wache blickte herein. „Was ist denn los?“ fragte sie
Angrosch, während sie auf die Glocke schaute, die langsam aufhörte, auf dem
Boden entlang zu kullern. Ein harter Blick traf die Wache, welche kleinlaut die
Tür wieder zuschob. Von draußen waren Schritte zu hören, die sich langsam
entfernten. Erneut setzte Angrosch sich auf seine Pritsche. Er hatte das
Gefühl, als dass er noch mal etwas Ruhe bräuchte. Er musste nachdenken.
Da, das Licht, da war es wieder. Geschwind näherte es sich und flog vorbei,
eilte direkt auf das große Gebilde zu. Links standen Bierfässer und rechts
waren allerlei Leckereien aufgehäuft. Eine undurchdringliche Wand schien sich
zwischen den Stufen aufzubauen, die zu dem Gebilde führten. Zwei Hämmer
erschienen aus dem nichts und kreuzten sich, als die Lichtgestalt auf sie
zuhielt und sie zu Boden fielen, regungslos liegen blieben. Die Wache schaute
ihm mitten ins Gesicht und bimmelte mit der Glocke, während im Hintergrund die
Lichtgestalt auf die Stufen zuflog und die Wände durchschnitt. Der Zwergenkönig
saß lachend auf der obersten Stufe und nahm ich eine weitere Keule von dem
großen Stapel. Ein schriller Schrei war zu hören, als das Licht durch die
letzte Mauer drang, und für eine Sekunde hatte es den Anschein, als wäre es
eine humanoide Gestalt gewesen, die zum Schlag ansetzte.
Stille. Angrosch hob seinen Kopf ein wenig, hatte Mühe damit, denn seine
verschwitzten, fettigen Haare klebten an seinem mühsam mit Stroh ausgestopftem
Schafsfell, dass er als Kissen benutze. Er sah sich um. Es war dunkel. Nichts
war zu hören. Er ließ sich zurückfallen. Ein paar salzige Wassertropfen
schwappten von der Pritsche.
Auch
Angrosch hatte Angst. Keine Angst, sein Gesicht zu verlieren, sondern Angst,
dass er sterben würde. Er wollte es nicht, aber er musste diesen merkwürdigen
Dingen einfach auf den Grund gehen. Sonst würde es ja doch keiner tun, bis es
zu spät war. Angrosch gab die Hoffnung aber noch nicht auf, und als er am
nächsten Morgen sein spartanisches Bett getrocknet hatte, machte er sich auf
den Weg. Er musste einen Ort aufsuchen, an dem er zu so vielen Zwergen wie
möglich sprechen konnte. Auf Anhieb fiel ihm Bromboloschs Schenke ein, und so stapfte
er davon.
Der Alte blickte sich um, als er ein weiteres Mal seinen Bierkrug anhob. Die
Taverne war gut gefüllt, und während in der Ecke einige Zwerge bereits seit
gestern Abend saßen und sich den Frust von der Seele tranken, spielten ein paar
andere Karten, wobei ein Zwerg bereits einen ansehnlich großen Haufen Gold
neben sich angehäuft hatte, während die anderen ihn aus finsteren Mienen
anblickten. Ein weiterer Zwerg betrat die Schenke. Seine Haare zerzaust, er
selbst schien sehr unruhig. Schnell eilte er zur Theke, um sich selbst auch ein
Bier zu gönnen. Das schien ihn zu beruhigen, als er sich in der Taverne umsah
und sein Blick schließlich an einem noch freien Stuhl hängen blieb. Er
schleifte den schweren Stuhl in die Mitte des Raumes, wobei die anderen Zwerge
ihm allmählich immer mehr Aufmerksamkeit zukommen ließen. Der Zwerg baute sich
auf dem Stuhl auf und räusperte sich. „Brüder! Lasst euch sagen, viel
merkwürdiges geschieht in unserem Berge!“ Einige der Zwerge hoben interessiert
den Kopf. „Wir werden von fremden Wesen heimgesucht! Sie haben unseren Berg
bereits umgeben!“ Ein paar Zwerge wandten sich wieder ab, einige verließen
sogar die Taverne. „Diese Wesen, sie sind alles und gar nichts, sie werden von
einer unheimlichen Macht durchflossen! Auf Brüder, lasst uns ihnen zeigen, wer
die Herren der Berge sind!“ Viele Zwerge verließen nun schnell die Schenke,
während Zwischenrufe zu hören waren: „Ihr habt doch einen Stein auf den Kopf
bekommen! Seht ihr nicht die Beulen an eurem Helm?“ Der Zwerg auf dem Stuhl,
Angrosch. So erinnerte sich der Alte später, schien fassungslos. „Der König
glaubte mir nicht, und auch ihr glaubt eurem Bruder nicht! Es wird euer
verderben sein, ich werde losziehen, das Übel zu finden!“ Er sprang von seinem
Stuhl herunter und verließ schleunigst die Taverne. Der Alte trank sein Bier
aus und stand auf.
Angrosch warf die Tür zu und sah sich in seiner Unterkunft um. Was hatte er
schon aufzubieten gegen solch einen mächtigen Feind? Dort hing die Pritsche an
der Wand, eine brusthohe Kommode mit 2 Schubladen stand in der Ecke, und an der
Wand hing seine Picke. Angrosch griff sich ein großes Tuch, welches in der
Kommode lag, und begann, zu packen. Er legte etwas Verpflegung hinein, seinen
Helm behielt er auf dem Kopf. Er verknotete das Paket und schob seine Picke in
das letzt, noch offene, kleine Loch an der Seite. In einem kleinen Lederbeutel
verstaute er seine letzten Goldmünzen und legte es sich unter den Helm. Nun
kann es losgehen, dachte er bei sich, als es an der Tür klopfte.
Der
Alte mühte sich in das Zimmer. Sein Krückstock schien wirklich verbogen zu
sein, weil er sich auf ihn lehnte und bei jedem Schritt knackten die Gelenke
mit. Er stellte sich vor Angrosch. „Ich habe euch in der Taverne gesehen,“ fing
er an, „und obwohl es unglaublich klingt, so schenke ich euch doch Glauben. Die
Zwerge von Kazad Thingaz kennen die Kriegszeiten schon nicht mehr, doch ich
erlebte sie noch und weiß um die Gefahren.“ Er schob sich weiter, an Angrosch
vorbei und setzte sich auf die Pritsche, die zu seinem Glück sehr tief hing.
Angrosch sah ihn, noch immer sprachlos, an. Wie sollte ihm dieser Greis, der
sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, helfen, diese seltsamen Wesen
aufzuhalten? Der Alte holte ihn wieder aus seinen Gedanken. „Wir müssen uns
beeilen,“ sagte er, „ich erwarte euch morgen zur zweiten Stunde bei
Bromboloschs!“
Beeilen! Angrosch musste sich ein Lachen verkneifen. Der Alte stand wieder von
der Pritsche auf und bewegte sich zur Tür. „Und nehmt mit, was ihr für unser
Vorhaben braucht!“ Die Tür schloss sich.
Angrosch war früh aufgestanden. Er hatte noch mal seinen Beutel überprüft und
war sich nun sicher, nichts vergessen zu haben. E konnte seine Neugier nicht
leugnen, mit was der Alte wohl aufwarten würde. Schließlich machte er sich auf
den Weg zur Taverne.
Der Alte saß bereits an einem der langen Eichenholztische und leerte gerade
seinen Bierkrug. Als er Angrosch erblickte, sprang er auf und winkte ihn zu
sich. Angrosch beobachtete den Alten etwas verstört. Gestern hat er sich kaum
an seinem Stock halten können und heute sprang er von einem Stuhl und blieb
sogar danach noch stehen! Der Alte begrüßte ihn freundlich und ließ Angrosch
sich setzen. Danach kehrte wieder die Ernsthaftigkeit, die Angrosch schon
gestern aufgefallen war, in sein Gesicht zurück. Als er bemerkte, wie Angrosch
ihn anblickte, lächelte er etwas aus seinem altersgezeichneten Gesicht. „Mir
scheint, es wundert dich, dass ich auf einmal laufen kann wie ein gerade
Hundertjähriger?“ Er zog seine viel zu weiten Hosenbeine etwas nach oben.
Darunter kamen sauber verarbeitete Lederstiefel mit einer Metallsohle zum
Vorschein. „Runen,“ sagte er, „sind in die Sohle geschmiedet. Es war ein
Geburtstagsgeschenk von meinem alten Freund Zinkhal zum achthundertsten.“ Angrosch
schien nicht unbeeindruckt. Der Alte ließ die Hosenbeine wieder fallen und
wandte sich ihm wieder zu. „Nun aber zu unserer Sache.“ fing er an.
Die Karte war ziemlich groß und sehr detailliert, hing auf Angroschs Seite
etwas über den Tischrand und war etwa halb so breit wie der Tisch. Der Alte,
der, wie Angrosch mittlerweile erfahren hatte, Toragh hieß, holte einen dünnen
Stiel hervor und begann, eifrig damit auf der Karte herum zu zeigen. „Dies ist
die uns bekannte Welt,“ begann er. Auf der Karte war nur ein großes Gebirge zu
sehen, welches scheinbar am Meer lag. Im Süden war ein großer See abgebildet.
„Kazad Thingaz, unsere Heimat befindet sich dort oben, im Nordosten. Ich habe
mir überlegt, dass wir zunächst nach Karag Zan reisen sollten,“ der Stiel sauste
in den Südosten des Gebirges, „denn dort kenne ich viele Zwerge. Ich bin dort
geboren, weißt du? Ich bin mir sicher, mir werden sie Glauben schenken. Und
allein werden wir mit diesen Wesen sicher nicht fertig werden.“ Angrosch ließ
seine Blicke auf der Karte umherschweifen. Einige der Zwergenstädte kannte er
noch gar nicht. Dann hörte er wieder Toragh zu. „Doch die Reise dorthin ist
nicht ungefährlich. Siehst du diese Stadt hier? Das ist Karaz Ginit. Es ist die
sogenannte Stadt der Verstoßenen, und dummerweise liegt ein Teil ihres
Herrschaftsgebietes auf unserem Weg.“ Toragh fuhr mit dem Stiel den Holzweg ab,
der in den Pfad der Verstoßenen einbog. „Ich denke, wenn wir da problemlos
durchkommen, dann sollte der Rest kein Hindernis mehr darstellen.“ Hastig
bewegte er den Stiel etwas weiter nach Süden auf Karag Zan. „Wenn wir dort
sind, können wir weitersehen.“ Angrosch war keineswegs begeistert von der Idee,
durch die halben Sonnenberge, wie das Gebirge auch genannt wurde, zu laufen. Es
war ja nicht mal sicher, ob es überhaupt etwas helfen würde. Aber der
zufriedene Eindruck von Toragh ließ ihn alle Einwände schnell wieder vergessen.
Außerdem glaubte er, dass Toragh mit seinen Stiefeln schneller war als er.
Toragh
faltete die Karte sorgfältig wieder zusammen. Hilfsversuche Angroschs wurden
durch eine behende, aber feste Hand abgehalten. Die Karte war wohl schon sehr
alt, am Rand waren schon viele Einrisse zu sehen, und beim zusammenfalten
schien etwas von ihr herunter zu rieseln. Angrosch entschied sich also doch,
den Alten lieber selbst machen zu lassen. Letztendlich schob er es sorgfältig
in einen kleine Schachtel aus Holz und verstaute sie in seinem Beutel, der in
etwa halb so groß wie Angroschs war. „Worauf warten wir also noch?“ erkundigte
sich Toragh. Angrosch zuckte nur bedeutungsvoll mit den Schultern, und so
verließen beide die Schenke.
Da war sie wieder, die Tür. Vor zwei Tagen war Angrosch das letzte mal da
gewesen, allerdings unter geringfügig unangenehmeren Gegebenheiten. Er ließ
Toragh mit einem verlegenen Lächeln den Vortritt. Toragh konnte nur den Kopf
schütteln. „Entweder war es wirklich so schrecklich, oder ihr jungen Zwerge
verweichlicht immer mehr! Und mich würde es nicht wundern, wenn meine zweite
Vermutung richtig liegt.“ Angrosch warf Toragh einen empörten Blick zu, als
dieser gegen die Tür drückte und sie geräuschlos aufschwang. Angrosch warf
einige prüfende Blicke über Toraghs Schulter hinweg in den dunklen Gang. ,Da in
der Dunkelheit muss es warten‘, dachte sich Angrosch, doch zum Glück verschafft
es mir diesmal etwas Zeit, wenn es sich auf den Alten stürzt.“ Mit diesen
Gedanken schlich er hinter Toragh her, der bereits einige Meter gegangen war
und ihn nun zu sich rief.
Gut 20 Minuten liefen sie nun bereits durch das mit dunklen Nebeln gefüllte
Tunnelsystem. Wassertropfen rannen über den kalten Stein über ihnen, und hin
und wieder löste sich einer. Angrosch zuckte zusammen. Er hatte den ganzen Weg
über aufmerksam gelauscht, und wenn es noch so wenig nützen sollte. Vorgestern
stand das etwas plötzlich vor ihm, er hatte nichts gehört, nichts gesehen. Als
wäre es aus dem Boden gewachsen. Warum hatte ihn das etwas nicht erwischt? Es
waren gut 10 Minuten gewesen, die er vor ihm weggelaufen war. Es war mindestens
drei- oder viermal so schnell gewesen wie er, die ganze zeit nur wenige Meter
hinter ihm. Doch erreicht hat es ihn nicht. Nicht mal, als er vor der Tür
stand, keinen Einlass fand. In ihm wuchs plötzlich eine Angst. Er hatte das
Gefühl, das Wesen hatte ihn gar nicht erreichen wollen. Vielmehr wollte es,
dass er noch mehr seiner Brüder heraus führte, gegen es zu kämpfen. Wenn es das
wollte, so musste es ein wirklich sehr starkes Wesen sein. Er blickte
verzweifelt zu seinem Begleiter hinüber, der fröhlich ein Liedchen vor sich hin
pfiff.
Eine
Ewigkeit schien schon vergangen zu sein, während die beiden Zwerge weiter durch
das Tunnelsystem vordrangen. Angroschs Bart war ein weiteres mal aalglatt und
er ließ eine wässrige Spur hinter sich zurück. Er hatte auf ihrem Weg immer
mehr zu Toragh aufgeschlossen und war heilfroh, als er in der ferne das Licht
des Tunnelausgangs erspähen konnte. „So,“ wandte sich der Alte an Angrosch,
„den einfachsten Teil hätten wir also hinter uns!“ Angrosch lächelte ihn
verlegen an, während er sich seinen triefnassen Bart hastig unter seinen Beutel
schob, den er nun scheinbar sehr interessiert durchwühlte.
Dort standen sie nun, auf dem Holzweg, im wahrsten Sinne des Wortes. Das grelle
Licht der Morgensonne fiel auf sein Gesicht, so dass er seine Hände schützend
davor halten musste. Der Alte blinzelte nur ein wenig. Ein scheinbar sehr alter
Wegweiser, der schief an dem morschen Holzpfahl hing und mit dem Wind tanzte.
Weit im Osten ließen sich die Umrisse des Drazh, dem größten Fluss, der den
Zwergen bekannt war, durch dichte Nebelfelder erkennen. Angrosch war noch nicht
oft an diesem Ort gewesen, das letzte mal vor knapp 7 Jahren. Die meiste Zeit
verbringt er mit dem Erzabbau im großen Bergwerk nahe Kazad Thingaz. Angrosch
holte erst mal kräftig Luft. Das brauchte er jetzt, denn allmählich wurde ihm
sein Geruch sogar selbst etwas unangenehm. Toragh klopfte ihm behende auf den
Rücken, als Angrosch wie wild hustete. „Du bist die Luft hier nicht gewohnt,“
stellt Toragh fest. „Der Geruch von schmelzendem Eisen ist doch immer noch der
beste,“ fügte Angrosch keuchend hinzu und setzte sich auf einen naheliegenden
Stein. Toragh war noch immer damit beschäftigt, ihm auf den Rücken zu klopfen,
als plötzlich eine hoch gewachsene Gestalt auf sie zutrat.
Die Gestalt war in einen weiten Kapuzenmantel gehüllt, und obwohl sie einen
hohen Buckel hatte, so war der Kopf doch immer noch in einer beachtlichen Höhe.
Trotz dem heruntergekommenen Aussehen bewegte sich die Gestalt mit einer
gewissen Grazie und sie schien stolz auf das zu sein, was sie war. Sie stand
nun direkt vor den beiden Zwergen und blickte auf sie hinab. Ein schmales Kinn
war zu sehen, das Gesicht mit Falten übersät und zwei nahezu leere Augen
starrten abwechselnd auf Angrosch und Toragh. Nach einer Weile stand Toragh
endlich auf und fragte mit freundlicher, doch zugleich fester Stimme: „Was
wünscht ihr, Fremder?“. Die Gestalt sah ihn eine Weile lang an. Eine knorrige
Stimme drang aus der Kapuze. „Was veranlasst euch, so früh durch die Berge zu
ziehen?“ Toragh blickte kurz zu Angrosch herüber, der ihn eingeschüchtert
ansah. „Wir sind auf einer Suche,“ brachte er schließlich hervor. „Suche? Was
für eine Suche?“ Die Gestalt wirkte sehr interessiert und schob bedeutungsvoll
seinen Kiefer nach vorne. Ein paar faule Zähne kamen zum Vorschein. Auch Toragh
kam die Situation nun äußerst merkwürdig vor und er suchte verzweifelt nach
einem Ausweg. Schließlich sprang er mit einer bedeutungsvollen Geste vor die
Gestalt. „Auf der Suche nach dem Licht!“ reif er ihr entgegen. Sie sah ihn
verwundert an. „Doch nun müssen wir weiter ziehen, denn wenn die Nacht da ist,
so werden wir kein Licht mehr finden können!“ Mit einem zufriedenen Gesicht
wandte sich Toragh seinem Klanbruder zu und bedeutete ihm, aufzustehen. „Gehabt
euch wohl!“ warf er der Gestalt im Gehen noch zu, als er und Angrosch eilig auf
den breiten Pfad, den Holzweg, spurteten. Die Gestalt sah ihnen regungslos
nach. Der Mantel flatterte im Wind, und ein Summen klang, dunkel wie die Nacht,
doch wurde es vom Licht verschlungen.
Auf
dem holprigen Weg war es nicht einfach, sich auf den Beinen zu halten.
Besonders Angrosch verfluchte die Reise jetzt schon. Toragh konnte nur den Kopf
darüber schütteln, sich über eine der bestausgebauten Straßen der Sonnenberge
so aufzuregen. „Wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst hinein!“ bemerkte er
spöttisch, als Angrosch ein weiteres mal halb über den Rand des von einer
kleinen Schlucht flankierten Weges fiel. Angrosch klopfte sich mürrisch den
Staub ab. Der Alte hatte gut reden mit seinen Wunderstiefeln. Ohne die wäre er
doch schon nach 5 Metern bergauf zusammengeklappt! Toragh sah Angrosch mit
einem durchdringenden Blick an, fast so, als könne er seine Gedanken hören.
Angrosch lächelte verlegen zurück und stolperte über den nächstbesten Stein.
Kichernd rannten die kleinen, grünen Geschöpfe über den kalten Fels. Sie
bewarfen sich gegenseitig mit Steinen und lachten auf, wenn sie getroffen
wurden. Hin und wieder verirrte sich ein Stein nach oben auf die Klippe. Sie
fanden es sehr amüsant, weil kurz darauf immer ein rundes Wesen mit vielen
Haaren im Gesicht lustig am Klippenrand herbaumelte. Ein weiterer Stein flog
und verschwand hinter dem Steinhorizont. Wenig später hörte man ein dumpfes
Geräusch und laute Flüche. Einer der Grünen sprang wie wild auf einem
nahegelegenen, großen Felsen herum und hielt einer beachtlich großen Stein in
der Hand. Erneut flog er nach oben, traf das runde Wesen am Kopf. Große Aufruhr
herrschte in der Schlucht, als es scheinbar zum Gegenangriff ausholte und sich
nach unten warf. Die kleinen Geschöpfe waren innerhalb von Sekunden in kleinen
Nischen und Spalten verschwunden, als es unten auftraf und regungslos
liegenblieb.
Die kleinen Wesen schoben ihre Köpfe neugierig aus den Spalten. Das runde
Wesen, es musste ein Zwerg sein, lag noch immer da. Einige der ganz mutigen
wagten sich aus ihren Verstecken und schlichen sich langsam an ihn heran. Einer
zog den großen Beutel, den sich der Zwerg auf den Rücken gebunden hatte, hinter
sich her. Erstaunlicherweise hielt der hastig gemachte knoten sämtlichen
Huckeln, Spalten und Spitzen stand, die der Boden der Schlucht zu bieten hatte.
Mittlerweile hatten sich fast alle Geschöpfe um den Zwerg versammelt und
beäugten ihn neugierig. Derjenige, der den Stein geworfen hatte, stellte sich
in bedeutungsvoller Pose auf ihn und fuchtelte etwas mit den Armen herum. Kurz
darauf packten alle Geschöpfe unter den Zwerg und hoben ihn mit Mühe an. Sie
trugen ihn langsam zu einer etwas größeren Felsnische, wo er durchpassen
sollte. Ein Stein traf den, so wie es schien, Anführer hart am Hinterkopf. Er
drehte sich um. Oben konnte er einen weiteren Zwerg erkennen. „Goblinpack,
lasst den Zwerg da liegen, oder soll ich ungemütlich werden?“ Weitere Steine
folgten dem ersten, und die Goblins schoben den Zwerg schnell durch die
Felsnische und verschwanden darin.
Toragh
blickte die Klippe herunter. Unten wuselten einige Goblins herum, einer
verschwand mit Angroschs Beutel hinter einem großen Felsen, der Rest schob
Angrosch mit viel Mühe in eine Felsnische. Toragh wusste nicht wirklich, was er
tun sollte. Der nächste Weg hinunter in die Schlucht war erst in etwa 20 Meilen
und die Felswand war ziemlich steil. Zumal konnte er zwar laufen, und das sogar
ziemlich gut, dank seiner Stiefel, doch verliehen ihm diese keineswegs ähnliche
Eigenschaften in seinen Händen. Er blickte auf sie hinab. Er sah dicke,
fleischige Finger, die dann und wann unkontrollierte Zuckungen von sich gaben.
Er umfasste seinen Wanderstab und stellte fest, dass sich im Grunde nur Daumen
und Zeigefinger am Halten beteiligten, die Übrigen schon nach wenigen Sekunden
kraftlos aufgaben. Erneut blickte er hinunter in die Schlucht. Er schluckte.
Ein kräftiger Zug – das Seil schien zu halten. Toragh lächelte zufrieden. Er
hatte sich ein dickes Seil um den ebenso dicken Bauch gebunden und an einem
Felsvorsprung festgebunden. Er hoffte, dass es die richtige Länge hatte. War es
zu kurz, käme er nicht nach unten, war es zu lang, so musste er sich ziemlich
auf seine Finger verlassen. Toragh kroch auf allen Vieren rückwärts auf den
Rand der Schlucht zu. Beinahe kippte er dabei vornüber, was seine Stimmung
nicht unbedingt erheiterte. Endlich hatte er den Rand erreicht. Seine Beine
klappten sich langsam um den Fels herum, nun mussten nur noch seine Hände folgen.
Er ließ mit der linken Hand langsam vom Boden ab, bohrte seine Rechte um so
tiefer hinein. Er tastete gerade nach einem günstigen Punkt in der Felswand,
als seine rechte Hand langsam vom staubigen Felsboden wegglitt.
Der kalte Wind strich Toragh für Sekundenbruchteile durchs Gesicht, bis ein
starker Schmerz seinen Magen durchfuhr. Für einen kurzen Augenblick war er
etwas benommen, dann aber schüttelte er den Kopf und sah sich um. Er hing etwa
einen Meter über dem Boden, wippte hin und her und streifte mit seinem Kopf
gelegentlich die Felswand. Das Seil hatte sich tief in seinen Bauch gegraben
und nur langsam konnte er wieder normal atmen. Das Seil knarrte über ihm.
Sicher, es würde irgendwann reißen, doch hatte er denkbar wenig Zeit, auf so
etwas zu warten. Seine Arme versuchten, an seine Taschen zu gelangen, die er an
seiner Seite trug. Doch hatte er sie sehr fest und hoch geschnallt, so dass sie
sie nicht einmal annähernd erreichten. Toragh ließ sich wieder baumeln. Es fing
an zu regnen.
Mindestens
10 Minuten hing Toragh hier nun schon, versuchte, sich durch Winden und
Strampeln aus dem fest sitzenden Seil zu befreien. Der Wind peitschte ihm die
Regentropfen ins Gesicht und versetzte ihn in ein bedrohlich wirkendes
schlingern. Der Regen machte ihn nur unbedeutend schwerer, und so gab er schon
bald die Hoffnung aus, das Seil durch diese Gewicht entzwei zu kriegen. Toragh
wippte weiter hin und her. Plötzlich war ein knirschendes Geräusch zu hören,
als er mal wieder an der Felswand entlang schrappte und auf einmal hängen
blieb. Er schrak aus seinem Halbschlaf hoch und sah sich um. Mit einer Hand
konnte er eine kleine Ausbuchtung im Fels erhaschen und zog sich mühsam nach
oben. Doch der Felsen war durch den Regen sehr glatt geworden, und so rutschte
er abermals ab. Doch ein weiteres mal konnte das Seil seinem Gewicht nicht
standhalten. Mehr oder minder unsanft fiel er hinunter und landete in einer
großen Schlammpfütze.
Toragh klopfte sich den Dreck von seiner weiten Hose, doch der Matsch hatte
seine Kleidung bereits nahezu komplett braun gefärbt. Langsam schleicht er sich
an die große Felsnische heran, in die die Goblins Angrosch getragen hatten. Es
war schwer, sich über die glitschigen Steine bis zu der Nische vorzuarbeiten.
Toragh verlor mehrfach das Gleichgewicht und trug einige Blessuren davon.
Letztendlich konnte er sein Ziel aber doch erreichen, und er blickt in einen
tiefen, dunklen Gang.
Langsam tastete sich Toragh durch den stockfinsteren Gang vor. In einiger
Entfernung waren von Zeit zu Zeit Kicher- und Gluckslaute zu hören. Selbst für
den Zwerge, die ja bekanntlich gut im Dunkeln sehen können, war es schwierig,
etwas zu erkennen. Der Alte musste weit laufen, bevor er fündig wurde. Wie aus
dem Nichts war am Ende des Gangs plötzlich ein leichtes Schimmern zu erkennen.
Toragh bewegte sich schnellstmöglich darauf zu. Als er am Ende des Ganges
angekommen war, war er sichtlich beeindruckt. Eine riesige Menge an Goblins
wuselte durch die Höhle, die wohl 20 Schritt hoch gewesen sein mochte und im
horizontalen Ausmaße nur schwer einzuschätzen war. Toraghs Blicke schweiften
geschwind umher, in der Hoffnung, in der grünen Masse Angrosch zu entdecken.
Schließlich fiel sein Blick in die hintere rechte Ecke der Höhle.
Die
Goblins waren immer noch damit beschäftigt, Angrosch auf ihren Händen quer
durch die Höhle zu tragen. Angrosch selbst rührte sich nicht, war wohl noch
bewusstlos. Erst jetzt fiel Toragh die kleine Anhöhe auf, auf der ein etwas
größerer Goblin laut zeternd mit seiner Waffe, es war ein krumm gebogener
Dolch, herumfuchtelte. Eine lange Reihe von Goblins marschierte auf die Anhöhe
zu und versammelten sich links davon. Hin und wieder trugen einige Goblins eine
Bergziege oder ein anderes Tier mit sich. Der große Goblin gab dann einige
merkwürdige Laute von sich und begann damit, wild auf das Tier einzustechen.
Die anderen Goblins heulten dabei laut auf und machten eine Art Tanz. Hinterher
wurde das Tier auf einen großen Haufen geschmissen und nicht weiter beachtet,
und die Zeremonie nahm ihren normalen Lauf.
Toraghs Augen folgten dem Weg der grünen ‚Goblinschlange‘, welche sich
scheinbar endlos durch die Höhle zog. Erschrocken blieben seine Augen stehen.
Es mochten noch gute 500 Schritt für die Goblins zu laufen sein, doch die
Tatsache, dass sie Angrosch trugen, würde dies nicht ändern. Toragh wollte es
sich gar nicht vorstellen, wie sein Klanbruder durch die Klinge eines feigen
Goblins sterben würde. Die Goblinmasse schob sich zwar nur langsam vorwärts,
aber viel Zeit blieb Toragh nicht mehr.
Schweißtropfen bildeten sich auf Toraghs Stirn und die Angst, am Tod eines
Bruders mitverantwortlich zu sein und versagt zu haben, wuchs in ihm. Er hatte
nicht viele Möglichkeiten. Abwarten was passiert? Nein. Toragh erahnte, dass
die Goblins Angrosch nicht von einem Tier unterscheiden würden, denn sie waren
in einem sehr euphorischen Zustand. Auch einfach drauflos zu stürmen hielt
Toragh für keine gute Idee. Selbst wenn es nur Goblins waren, es waren viele,
unzählbar viele und gegen diese Masse brauchte man schon ein ganzes Heer an
Zwergen. Toragh war in Gedanken versunken, als die Goblins abermals in ihr
Heulen ausbrachen. Er schaute auf. Angrosch war nun nicht mal mehr 50 Schritte
von dem großen Goblin entfernt.
Plötzlich
wurde die Höhle von einem seltsam rumpelnden Geräusch erfüllt, welches immer
näher zu kommen schien. Toragh blickte sich hastig nach allen Seiten um und
auch unter den Goblins machte sich allgemeine Verwirrung breit. Sie wuselten
wild durcheinander, stolperten übereinander oder blieben ganz einfach stehen.
Angrosch wurde fallengelassen und verschwand in der grünen Masse. Der große
Goblin schrie seine Untergebenen mit hochrotem Kopf an, doch niemand schien
mehr auf ihn zu hören. Mit einem mal waren sämtliche Nischen in der Felswand
von einem leichten Schimmern erfüllt, das immer stärker wurde. Die meisten
Goblins liefen so schnell sie konnten aus der Höhle hinaus, während andere noch
immer wie angewurzelt stehen blieben. Das Licht war mittlerweile sehr stark
geworden und Toragh versteckte sich hinter der Ecke, um welche er die ganze
Zeit in die Höhle gelugt hatte. Er lauschte.
Im Augenwinkel sah er das licht immer heller werden, bis es schließlich wohl
doch das Maximum erreicht hatte. Das krächzen von verängstigten Goblins war zu
hören, schnelle Schritte erfüllten Toraghs Kopf, der wie in sich verschlossen
hinter der Ecke stand und einfach nur hörte. Man hörte es sausen, als wenn ein
Degen mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft gezogen würde. Einige Goblins
liefen an Toragh vorbei zum großen Ausgang der Tunnel, doch Toragh hörte nur
ihre Schritte. Er hörte leblose Körper zu Boden sacken und es war unverkennbar,
dass die verzweifelten Goblins in einer riesigen Blutlache um ihr Leben
kämpften. Die letzten Schritte ließen die Wände ihr Echo zurückwerfen, das
Geschrei des großen Goblins verstummte. Danach war Stille – Totenstille.
Toragh stand allein in der Dunkelheit. Seine Augen hatte er fest verschlossen
und er bewegte sich keinen Millimeter. Der Kopf des Zwerges leerte sich
allmählich von den Schritten, die noch immer von innen gegen seinen Schädel
traten. Seine Lider schoben sich nur langsam auf, und so stand er da, eine
halbe Ewigkeit, und starrte in die Leere der Dunkelheit. Jedes Gelenk einzeln
knackte, als er sich langsam um die Ecke wand. Seine Stiefelspitzen wurden in
das Blut getaucht, das sich noch immer weiter ausbreitete. Die Goblins lagen
tot am Boden, nur wenige noch an einem Stück. Der große Goblin hing an der
Wand, doch ohne, dass er von irgend etwas gehalten wurde. Toragh ließ seine
Blicke prüfend im Raum herumschweifen. Angrosch war nirgends zu entdecken. Das
Blut lief Toragh in die Stiefel, als er sich durch das Leichenfeld
vorarbeitete.
Prüfend
schoben Toraghs Stiefel die toten Goblins zur Seite, ob sich nicht Angrosch
unter ihnen befand, doch er konnte ihn nirgendwo entdecken. Plötzlich sah er
Angroschs zerbeulten Helm unter der grünen Masse aufblitzen. Er riss ihn hoch,
doch lagen erneut nur Goblins unter ihm. Sie hatten sich wohl in ihrer Not
alles gekrallt, womit sie sich schützen konnten. Toragh stülpte sich den Helm
über die Faust und trottete nachdenklich durch die Höhle. Er stieg die Anhöhe
hinauf, um einen besseren Überblick zu erhalten. Der große Goblin hing noch
immer an der Wand. Neben ihm war etwas in die Wand geritzt. Es waren seltsame
Zeichen, die Toragh noch nie zuvor gesehen hatte. Er strich den Staub von dem
Schriftzug. Die Wand war warm an jener Stelle und ein wenig Rauch stieg auf,
als Toragh seine Hand wieder von ihr löste.
Der große Goblin starrte mit dem leeren Grinsen eines Toten in die Weite der
Höhle. Toragh war nicht in der Lage, herauszufinden, wie er gestorben war. Es
ließen sich keinerlei äußerliche Verletzungen feststellen, und sein Kopf war
immer noch hochrot angelaufen und sein Krummdolch wurde noch immer fest von
seiner Hand umschlossen. Mit einem lauten Zischen fiel er vornüber auf den
kalten Felsboden, eine Dampfwolke stieg Toragh ins Gesicht. Der Dolch glitt ihm
aus der Hand und rutschte ein paar Meter über den nassglatten Boden. Toragh sah
ihm nachdenklich nach und folgte ihm, um ihn aufzuheben. Als er sich nach dem
Dolch bückte, sah er einen nassen Stiefel hinter einem Felsen hervorlugen.
Schnell lief er zu dem Felsen und schaute hinter ihn.
Es war Angrosch. Er lag mit einem Lächeln auf dem kalten Felsboden, das
Goblinblut hatte nur vereinzelt seinen Weg hierhin gefunden, und so lag er auch
noch recht trocken. Er selbst sah unverletzt aus, nur ein bisschen Dreck hatte
er abbekommen. Doch stand Toragh vor seinem nächsten Problem. Angrosch sah
nicht danach aus, als ob er vorhatte, allzu bald wach zu werden, und die
Kletterpartie hatte Toraghs Armmuskeln auch nicht sonderlich gestärkt. So begab
es sich, dass Toragh nach mehreren verzweifelten Versuchen, Angrosch weg zu
ziehen, erschöpft aufgab. Doch Toragh kam eine Idee. Er entzündete die kleine
Kerze im Helm von Angrosch und hielt sie ihm direkt vor sein Gesicht. „Sie sind
da!“ sagte er mit fester, aber nicht zu lauten Stimme. Angrosch schreckte hoch,
und Toragh musste schon sein ganzes Geschick aufbringen, ihm seine Hand auf den
Mund zu pressen, bevor Angrosch laut zu schreien begann.
Toragh
ließ einige Zeit verstreichen, bevor er Angrosch die Hand wieder vom Mund nahm.
Angrosch Rang nach Luft und atmete hektisch. Toragh erzählte ihm, was vorgefallen
war. Angrosch hatte erneut Schweißperlen auf der Stirn. Ein grelles Licht kam
herbei und tötete die Goblins? Er schluckte den Klos im Hals herunter und
drängte darauf, die Höhle zu verlassen. Toragh, der sich gerne noch umgesehen
hätte, musste dem Betteln Angroschs schließlich doch klein beigeben, und so
machten sie sich auf den Weg zum Ausgang der Tunnel.
Am Ausgang angekommen, stoppte Angrosch. Verlegen drehte er sich zu Toragh
herum. Nachdem der Alte ihn eine verständnislos gemustert hatte, brachte
Angrosch sein Anliegen hervor. „Mein Gepäck... wo ist es hin?“ Toragh fiel es
wie Schuppen von den Augen. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. „Ein Goblin
schleifte es in diese Nische dort.“ sagte er schließlich und deutete auf die
schmale Lücke in der Felswand. Angrosch blickte hinein, bekam schon Probleme,
seinen Arm vollständig in die Nische zu zwängen. Verzweifelt wandte er sich
erneut an Toragh. „Dann werden wir wohl noch mal runter müssen,“ bemerkte
dieser. „Noch mal da runter?“ fragte Angrosch entsetzt. Und noch bevor Toragh
überhaupt antworten konnte, war Angrosch bereits einige Schritte eilig weiter
gelaufen.
Der Alte schloss letztendlich zu Angrosch auf, der eiligen Schrittes unbeirrt
weiter marschierte. Völlig außer Atem erreichten die beiden die Rampe, welche
sie wieder auf den Holzweg zurückführte. 20 Meilen Dauerlauf sind für einen
Zwerg mehr als genug, selbst wenn Toragh durch seine Stiefel die ersten 10
Meilen problemlos zurücklegen konnte. Sie hatten nun gut ein Drittel ihres
Weges auf dem Holzweg zurückgelegt und liefen nun zielstrebig am Goblinpass
vorbei, der Richtung Kazad Grund, welches die nördlichste Zwergendomäne war,
führte. 2 Tage würden sie noch mindestens brauchen für den Holzweg und obwohl
es erst Nachmittag war, schlugen die beiden am Wegesrand ihr erstes Nachtlager
auf.
Angrosch
schlief schlecht in dieser Nacht. Er träumte, wie Gestalten über ihn hinweg
sprangen und unter den Goblins ein furchtbares Blutband anrichteten. Eine der
Gestalten schlug den großen Goblin mit einem kräftigen Hieb an die Wand, worauf
dieser daran hängen blieb und die gesamte Wand um ihn herum qualmte. Ein Goblin
fiel hinter seinen Felsen und riss den Helm von Angroschs Kopf. Als er gerade
wieder hinter dem Felsen verschwunden war, sah Angrosch seinen Helm im hohen
Bogen in einen großen Haufen Goblins fallen, während der Goblin blutend über
den Boden rutschte.
Nun sah er, wie er und Toragh über einen Weg marschierten. Es war sehr dunkel,
daher konnte Angrosch nicht erkennen, wo es war. Toragh hatte die Stirn
gerunzelt und sah sehr nachdenklich aus. Angrosch kam sich beobachtet vor und
eine beängstigende Stille herrschte, während man in der Ferne das unheimliche
Heulen der Wölfe vernehmen konnte.
Lärm weckte Angrosch auf. Als er seine Augen öffnete, blickte er mit ihnen auf
einen strahlend blauen Himmel, dort, wo sich gestern noch das spitz zulaufende
Dach eines Zeltes befunden hatte. Angrosch schnellte hoch und entdeckte Toragh,
der gerade das gut verpackte Zelt in seinen Beutel schob. „Ein Wunder, dass du
auch noch wach wirst, wir haben nicht ewig Zeit!“ Spöttisch fügte er hinzu:
„Wenn nicht das ganze Zelt von deinem Angstschweiß vollgelaufen wäre, würden
wir wahrscheinlich jetzt noch immer schlafen. Aber ich musste ja unser Zelt vor
dem wegschwemmen retten.“ Angrosch machte wieder mal ein empörtes Gesicht. Er
bekam langsam den Eindruck, er musste sich bei Toragh daran gewöhnen. Doch er
zweifelte nicht daran, dass diese große Klappe sie eines Tages noch in
Verlegenheit bringen würde.
Es Verging wohl noch eine halbe Stunde, bevor die beiden endlich aufbrachen.
Toragh legte mürrisch ein etwas schnelleres Tempo ein, so dass Angrosch Mühe
hatte, mit ihm Schritt zu halten. „Sie mich nicht so vorwurfsvoll an,“
brummelte Toragh, „das hast du alles selbst zu verschulden!“ Schweigsam setzten
die beiden ihren Weg fort. Angrosch wollte lieber nicht mit Toragh streiten.
Ihm ging es schon schlecht genug und sich irgendwo mitten in den Sonnenbergen
von seinem einzigen Gefährten zu trennen hielt er auch nicht für klug. Angrosch
dachte an seinen Traum. Er kam sich schon jetzt beobachtet vor. Eigentlich
schon die ganze Reise über. Prüfend ließ er seine Augen herumwandern, als
plötzlich die Wolken über ihm den Himmel verdunkelten und der Wind auffrischte.
Nein,
Nacht war es nicht, das war nicht sein Traum. Angrosch presste seinen Helm mit
aller Kraft auf seinen Kopf, so dass er schon über den Ohren hing, da das
unablässige Pfeifen des Windes in seinem Schädel dröhnte. Toragh lief
währenddessen weiter, seine eiserne Miene wich nicht, selbst als ihm der Regen
Regentropfen hart durch das Gesicht peitschte. „Du bist ein wahrer
Unglücksbote,“ bedachte Toragh Angrosch, „Nun haben wir den Pfad der
Verstoßenen schon bald erreicht, und gerade nun muss ein Gewitter aufziehen. Die
Geschichte hat gezeigt, dass solche Vorfälle nur selten glücklich endeten.“
Angrosch sah Toragh eine Weile lang an, ohne dass dieser etwas sagte. „Ich
fürchte fast,“ fuhr er schließlich fort, „dass wir uns einen Weg über die
schmalen Gebirgspfade suchen werden müssen!“ Angrosch Miene verzerrte sich, als
das Pfeifen seinen Helm zum Dröhnen brachte. In der Ferne entdeckte Toragh
einige Schatten.
Toragh hielt einen Moment inne. „Siehst du da vorn? Dort ist die Gabelung zum
Pfad der Verstoßenen. Und, wie sagte ich bereits, ein solches Wetter an einem
solchen Ort kann kein Glück bringen.“ Nun erkannte auch Angrosch die Schatten
in der dichten Gischt. Sie erschienen um ein vielfaches größer als ein normaler
Zwerg. „Seltsam,“ fügte Toragh hinzu, „ich bin es gewohnt, hier auf
aufständische Zwerge aus Karaz Ginit zu treffen. Doch das da sind keine Zwerge.
Sie sehen aus wie... wie...“ Angrosch schluckte, als Toragh das Wort ‚Trolle‘
aussprach. Sein Großvater, Arthag, hatte ihm von diesen Ungeheuern erzählt. Er
war damals bei der Revolte von Karaz Ginit dabei gewesen, natürlich auf der
Seite der ehrenhaften Zwerge. Eines Tages, so erzählte er, seien die Zwerge aus
Karaz Ginit aus einer Höhle herausgerannt gekommen, direkt auf die
Verteidigungsstellungen seiner Klanbrüder zu. Und hinter ihnen aus der Höhle
kam ein Troll gewankt. Ein richtiger Troll, so hatte es Arthag erzählt, nicht
so ein ‚Trollling‘ wie sie heute verbreitet seien. Zumindest hätten die Zwerge
den Troll genau in die Verteidigungsstellungen gelenkt, wo er schrecklich
wütete, egal ob Freund, ob Feind. Er verspeiste Zwerge mit einem Bissen in
voller Rüstung und trat die schnell aufgestellten Holzpalisaden mühelos ein.
Angrosch sah noch einmal zu Toragh hinüber. „Trolle?“ -„Ja, Trolle. Ich glaube
nicht, dass wir sie zu zweit erlegen können.“ -„Soll heißen?“ -„Nun, siehst du
diesen schmalen Weg dort vorn? Er führt durch die ganze Gebirgskette, bis hin
vor den Schlangenpass. Wenn wir gut vorankommen, können wir so eine Menge Zeit
sparen!“ Angrosch blickte zu dem steinigen Weg, dann zu den Schatten in der
Ferne. „Nun gut,“ sagte er, „schlimmer kann es sowieso nicht mehr werden.“
Schon bald verfluchte Angrosch seine Entscheidung. Viel mehr weh tun als
dauernd gegen diese spitzen Felsvorsprünge und Steine zu fallen, konnte so ein
Troll sicher auch nicht. Oder zumindest ging es schnell und er würde hier nicht
halb an seinen Schürfwunden verbluten. So kam es ihm zumindest vor, während er
sich grummelnd durch den engen Weg nach vorn zwängte. „Sei doch froh, dass wir
diese Möglichkeit bekamen! Denn sonst lägest du nun als ganzes Stück im Magen
eines Trolls und deine Brüder wären dem Licht völlig Schutzlos ausgeliefert!“
Richtig, das Licht! Angrosch hatte es schon fast wieder vergessen! Mürrisch gab
er Toragh recht. „Und nun beeile dich ein bisschen, bis Karag Zan ist es noch
weit, und je schneller wir da sind, um so weniger Gefahren werden sich in
unseren Weg stellen!“ Angrosch seufzte und schob seine aufgeschürften Knie
durch den spitzen Kies, der wild auf dem Pfad verteilt war und den Marsch
rutschiger machte, als er durch den Regen sowieso schon war.
Das
Gewitter schien kein Ende nehmen zu wollen. Toragh und Angrosch waren bereits
nass bis auf die Knochen und hatten sich einen Unterschlupf unter einem kleinen
Felsvorsprung gesucht. Toragh begann sogleich damit seine Wäsche auszuwringen,
während Angrosch untätig sitzen blieb. „Du solltest deine Sachen auch
trocknen,“ bemerkte Toragh, „wenn mir eins fehlen würde, so wäre es, dass wir
und krank durch die Berge Schleppen müssen! Also, los!“ Angrosch kam der
Aufforderung nur zögernd nach. Der Regen reichte weit unter den Felsvorsprung,
warum sollten sie ihre Sachen auswringen, nur damit sie in fünf Minuten wieder
klatschnass sind? Angrosch trat frustriert gegen den kleinen Felsen, der unter
der Felswand eingeklemmt zu seien schien.
Der kleine Felsen schob sich nur wenige Zentimeter weit, jedoch genug, um unter
der Felswand weg zu sein. Angrosch hielt sich derweil laut fluchend den Fuß und
sah ein, in Zukunft nicht mit vom langen Marsch schmerzenden Füßen gegen eine
Felswand zu treten. Toragh konnte über Angroschs Ungeschicklichkeit nur
schmunzeln, als sich plötzlich ein bedrohliches Rumpeln einstellte. Ein großer
Felsen schlug genau vor Toragh in den Boden, und als sich die beiden umsahen,
stellten sie fest, dass die Feldwand, die ihnen gerade noch als Unterschlupf
gedient hatte, sich nun unter lautem Knarzen auf sie zubewegte. Angrosch stand
wie angewurzelt da, und hätte ihn Toragh nicht davon gezogen, so wäre er wohl
unter der Felsenmasse begraben worden.
Der Felsen riss eine große Kluft auf, und als auch der Rest der Felswand
nachrückte, wurden Toragh und Angrosch trotz heftiger Gegenwehr in das große
Loch im Boden gezogen.
Angrosch spürte den Regen in seinem Gesicht. Er öffnete langsam die Augen, in
der Hoffnung, all das nur geträumt zu haben. Sein Blick fiel nach oben auf
einen dunklen, mit Wolken verhangenen Himmel. Ein Teil seines Sichtfeldes war
von Erde bedeckt, die wohl bei dem Sturz mitgerissen worden sein musste.
Angrosch sah sich um. Unweit von ihm entdeckte er Toragh, der zur Hälfte in
Erde begraben war und mit seinen aus dem Boden guckenden Beinen wild
herumstrampelte. Angrosch richtete sich wackelig wieder auf. Seine Schürfwunden
schienen zu brennen, und sein Kopf schien ihm zu zerbersten. Doch trotzdem
konnte er genug Kraft aufbringen, um den doch recht beleibten Toragh aus seinem
natürlichen Gefängnis zu befreien. „Das wurde auch Zeit!“ zeterte der Alte.
„Nun lass uns schon weitergehen!“ Angrosch sah Toragh verlegen an. „Wenn du
weißt, wo wir entlang müssen. Ich kann hier keinen Weg entdecken!“ Nun sah es
Toragh auch. Er schluckte. „Nun,“ begann er, „in dieser Richtung sollte Süden
sein. Mir... nach.“ Angrosch lief einige Meter hinter Toragh her, als es nach
oben in den Himmel blickte, der keine Sicht auf irgendeinen Stern freigab.
„Wenn du meinst.“ flüsterte er.
Die
Nacht brach früher an, als sich die beiden Zwerge erhofft hatten. Angrosch
hatte den ganzen Weg über den Himmel aufmerksam beobachtet. Die Wolkendecke
schien eher dichter geworden zu sein. Ein Blick auf Toragh zeigte einen
nachdenklichen, alten Zwerg. Seine Stirn lag in falten und er schien aus leeren
Augen geradeaus zu starren. Sie liefen mittlerweile über einen provisorisch
angelegten Weg, vermutlich hatten ihn Goblins gebaut. Aber vor ihnen brauchten
sich die beiden nicht zu fürchten, denn selbst an den bewusstlosen Angrosch
hatten sie sich nur sehr zögernd herangewagt. Der Regen hatte mittlerweile fast
gänzlich aufgehört, nur noch leichter Nieselregen war zu spüren. Die Wolken
bekämpften sich über ihnen noch immer, indem sie mit Blitzen auf sich warfen.
Doch kein Donner war zu hören. Es war nahezu komplett still. Nur die eiligen
Schritte der Zwerge durch den Kies ließen sich vernehmen, und in der Ferne
heulten ein paar Wölfe.
Endlich fasste Angrosch einen Entschluss. Zielstrebig ging er auf Toragh zu und
packte ihn an der Schulter. Toragh blieb stehen und sah seinen Begleiter an.
„Ja?“ fragte er routiniert. Angrosch stotterte. „Meinst du... meinst du
wirklich, dass wir hier richtig sind?“ Toragh blickte ihm eine Weile tief in
die Augen und bereitete Angrosch Mühe, unberührt zurückzustarren. „Nun,“ begann
er schließlich, „hast du einen anderen Vorschlag? Irgendwo werden wir schon
herauskommen.“ Angrosch schluckte und trat dann mutig mit dem Fuß auf. „Jawohl,
den habe ich!“ rief er in die Nacht hinaus. Bedeutungsvoll schwang er seinen
Arm herum und zeigte in eine neue Richtung. „Da lang!“ verkündete er mit einer
düsteren Stimme. Toragh wirkte beeindruckt und so hatte er keine Einwände, als
sie zielstrebig ihren neuen Weg einschlugen.
Der neue Weg wirkte auch nicht einladender als der alte, aber Toragh beklagte
sich nicht. Im Grunde genommen war ja alles beim alten geblieben, er hoffte
nur, dass dies auch die richtige Richtung war. Angrosch wurde schon bald wieder
von seiner Anfänglichen Zielstrebigkeit verlassen, als er bemerkte, dass der
Weg keinen Unterschied zum alten aufwies. Doch plötzlich blieb er stehen. Er
kniff seine Augen zusammen und blickte durch Nebelschwaden in die Ferne.
„Toragh, sieh doch! Ein Baum! Wir müssen es geschafft haben!“ Angrosch eilte
los, noch bevor Toragh etwas erwidern konnte. ‚Ein Baum?‘ dachte er sich, ‚seit
wann gibt es in den Bergen Bäume? Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder, wir
sind am Ende der Sonnenberge angelangt, oder...‘ Toragh musste sich beeilen, um
mit Angrosch mithalten zu können. Schließlich erreichten sie eine große Ebene,
eine Art Lichtung, nur dass sie nicht von Bäumen umgeben war. In der Mitte der
Lichtung stand ein einzelner Baum. Er war verkrüppelt und hatte den Anschein,
nahezu komplett in dünne Spinnenweben gesponnen zu sein, so dass er nur ein
schwaches Braun ausstrahlte. Angrosch lief auf den Baum zu, Toragh folgte ihm
schnell. Am Baum angekommen, sah Angrosch nach vorne und sah im Nebel weitere
Berge herausragen. „Was... wo sind wir?“ Toragh seufzte. „Wir müssen schnell
hier verschwinden. Ich erinnere mich an diesen Ort. Es war der Ursprung der
Revolte von Karaz Ginit. In den Legenden heißt es, der Ort sei verflucht.
Angrosch wandte sich schnell um und wollte zurücklaufen, als er erneut
stehenblieb. Wölfe hatten sich vor den Ausgang gestellt, und nun sah man auch
das restliche Rudel aus ihrem Bau kommen, welcher mitten in der Ebene lag. Knurrend
schlichen sich die Wölfe näher, während ihre rot glühenden Augen die Zwerge vor
Furcht erstarren ließen.
Angrosch
schluckte. „Am besten wir bleiben ganz ruhig stehen,“ flüsterte er, „vielleicht
tun sie uns dann auch nichts.“ Toragh schien noch über diesen Vorschlag
nachzudenken, als ein Wolf, der die anderen noch weitaus an Größe überragte,
aus dem Bau heraus stieg. Aus seinem Rücken klafften 2 zerbrochene Rippen, doch
er blutete nicht. „Untote Wölfe!“ raunte Toragh, „Nein, ich glaube, stehen
bleiben ist keine gute Idee.“ Die beiden Zwerge pressten sich an den Baum
hinter ihnen. „Hätte ich doch nur meinen Beutel nicht an diese Goblins
verloren,“ jammerte er, „dann könnte ich uns jetzt mit meiner Picke einen Weg
freikämpfen!“ Toragh sah ihn kurz an. „Nein, es wären zu viele gewesen.“ Er
lächelte „Du wärest noch nicht mal mit zweien fertig geworden.“ Angrosch sah
ihn empört an, aber Toragh erwiderte es mit seinem typischen, festen Blick.
„Lass uns nicht streiten,“ sagte er schließlich, „wir haben hier schon genug
Probleme.“
Die Wölfe kamen derweil immer näher. Das Leittier hatte sich mittlerweile an
die vorderste Position gebracht und schritt entschlossen auf die Zwerge zu.
Plötzlich kam Angrosch eine Idee. Er wandte sich an Toragh: „Können Wölfe
klettern?“ Toragh sah Angrosch verwundert an. „Ich bezweifle es. Was hast du
vor?“ Angrosch hielt sich nicht lange mit reden auf. Schnell wandte er sich um
und begann, auf den Baum zu steigen. Nach einigem Gezeter und Schürfwunden mehr
ließ er sich oben in eine Astgabelung fallen. „Los, Toragh, komm!“ „Das schaffe
ich niemals!“ rief Toragh. Angrosch sah ihn entgeistert an „Sieh doch mal
hinter dich! Die haben dich gleich! Jetzt klettere schon auf diesen verdammten
Baum!“ Toragh griff panikhaft nach einigen Einkerbungen in der Rinde des
Baumes, aber seine Arme konnten ihn nicht halten. Währenddessen waren einige
Wölfe bereits bedrohlich nahe herangekommen und kauerten sich zähnefletschend
und zum Angriff bereit, auf den Boden.
Angrosch wippte aufgeregt auf der Astgabelung hin und her. „Toragh! Nu komm!
Beeil dich!“ schrie er aus voller Kehle, aber Toragh rutschte immer wieder von
der knorrigen Baumrinde ab. Die Wölfe hatten inzwischen einen Halbkreis um den
Baum herum gebildet und kauerten sich nun alle auf den Boden. Der Leitwolf gab
kurz ein hustendes Geräusch von sich, als plötzlich alle Wölfe ihre Köpfe
erhoben und zum Sprung ansetzten. „Nein!“ schrie Angrosch aufgeregt, als
plötzlich das Holz unter ihm zu knirschen begann. Die Astgabelung hatte unter
seinem ständigen Gewippe nachgegeben und machte Anstalten, jeden Moment
abzubrechen. Krampfhaft klammerte sich Angrosch noch an einen der beiden Äste,
als es auch schon bergab ging. Der Baum war zum Glück nicht zu hoch gewesen,
und so blieb Angrosch diesmal noch bei Bewusstsein. Schützend hielt er den Ast,
den er vom Baum gerissen hatte, vor sich, um die Wölfe auf Abstand zu halten.
Etwa eine halbe Minute saß er da, bevor er sich wunderte, noch immer nicht tot
zu sein. Vorsichtig öffnete er die Augen, und musste zu seinem Erstaunen
feststellen, dass die Wölfe sich winselnd zurückzogen. Vorsichtig stand er auf
und fuchtelte etwas mit dem Ast in der Luft herum. Sogleich vollführten die
Wölfe einige große Sprünge von ihnen fort. „Ah, ich erinnere mich,“ meldete
sich nun Toragh zu Wort, der immer noch sehr aufgeregt am Baum lehnte, „Es
wurde berichtet, dass die verräterischen Zwerge von Karaz Ginit mit Ästen eben
diesen Baumes gegen die damals noch hier herrschende Wolfsplage erwehrt hatten
und sie damit töteten. Es wurde sogar erzählt, dass der Revoltenanführer, ich
glaube, Xargosch war sein Name, dem Leittier persönlich 2 Rippen gebrochen
habe, so dass sie aus seinem Leib heraus guckten.“ Angrosch suchte inzwischen
eine Möglichkeit, den Ast zu verstauen. „Nun denn,“ sagte er, „lass und schnell
fort von hier. Wir haben noch eine Aufgabe zu erledigen.“ Und mit diesen Worten
verließen die beiden Zwerge die Ebene, während Toragh erfreut mit ansah, wie
sich Angrosch langsam zu einem richtigen Zwerg entwickelte.
Kaum
hatten die beiden Zwerge die Ebene hinter sich gelassen, wurden sie auch schon
wieder von der Realität eingeholt. Sie waren mitten in einem Gebirge, hinter
ihnen lag eine Ebene mit toten Wölfen, der Weg zurück führte sie zu einem Pass
mit Trollen. Und irgendwo hinter den Bergen lag Karaz Ginit, die Stadt der
verdorbenen Brüder. Sie hatten 2 Wege zur Auswahl, und drei davon wollten sie
nicht einschlagen. Toragh tastete sich an der Felswand entlang. Er wandte sich
an Angrosch. „Müsst ihr in den neumodischen Bergwerken immer noch so viel
klettern wie wir damals?“ Angrosch sah ihn etwas verwundert an. „Ja, wir müssen
viel klettern.“ Brachte er dann hervor. „Ausgezeichnet!“ Ein faltiges Lächeln
legte sich auf Toraghs Gesicht. Dann klettere hier auf die Felsen und helfe einem
alten Zwerg nach oben. Angrosch seufzte. Zum Glück war der Fels hier sehr
spröde und brüchig, denn ohne Hilfsmittel wäre er nie über eine glatte Felswand
gekommen. Mit Mühe hievte er Toragh nach oben. „Früher in den Bergwerken haben
wir uns praktisch durch die Stollen geworfen! Die Jugend, die Jugend.“ Oben
angelangt warfen die Beiden einen Blick auf ihr neu gewonnenes Sichtfeld.
Steine. Nichts als Steine. „Und in den alten Schriften will man uns weiß
machen, dass Stein der Freund der Zwerge sei. Und nun werden wir in dieser...
dieser Steinwüste verkommen!“ Angrosch beruhigte ihn. „Lass uns erst mal weiter
sehen. Siehst du dort drüben den großen Felsen? Wenn wir ihn besteigen können
so werden sich uns völlig neue Perspektiven eröffnen!“ Angrosch brummte
missmutig. Seine Schürfwunden brannten noch immer, und schon musste er sich
erneut über spitze Steine und Kies arbeiten. Und das alles wahrscheinlich nur,
um den Anblick eines noch mal so hohen Felsens ertragen zu müssen. Und das,
obwohl bekannt war, dass die meisten Zwergenstädte nahe der größten Berge der
Gegend in den Fels geschlagen wurden. Und die nächste Zwergenstadt war Karaz
Ginit.
Angrosch blickte verwundert am Felsen hoch. Schon wieder war er behangen mit
losem und bröckeligem Geröll. Zögernd kroch Angrosch den Felsen empor, bemüht,
nicht den ganzen Schutt unter seinen Füßen weg zu drücken. Schließlich oben
angelangt, wurde ihm bewusst, dass Toragh noch immer am Fuße des Felsens stand.
Dieser hatte sich mittlerweile schon ein Stück auf dem Felsen vorangekämpft.
Angrosch kroch ihm ein paar Schritt entgegen, als es plötzlich merkwürdig zu
rumpeln begann. Der Geröllfelsen setzte sich in Bewegung und sackte immer
weiter ab. Die Füße der Zwerge hatten sich schon zu tief in die Schuttschicht
eingearbeitet, als dass sie sich eilig hätten befreien können, und so wurden
sie mit in die Tiefe gerissen. Doch anstatt von einer riesigen Masse von Schutt
und Geröll überdeckt zu werden, endete ihr Fall auf einigen Gitterstäben, durch
die das Geröll ablief. Und während Angrosch noch immer über das Gitter
rätselte, murmelte Toragh „Ich hätte es wissen müssen!“ und sah nach oben, zum
Rand der gut und gern 4 Schritt tiefen Grube, in der sie nun saßen.
Toragh
blickte fast verlegen, aber Angroschs blickte verrieten ihm, dass dies der
falsche Zeitpunkt für Verlegenheit wäre. „WAS? WAS? WAS hättest du wissen
müssen?“ stieß er in seinem schnell erwachten Zorn hastig und schrill hervor.
Toragh bemerkte, dass der hohe Felshaufen eine Falle gewesen sei, was Angrosch
nur mit einem scharfen Blick beantworten konnte. „Sie wurden während des
Aufstandes in Karaz Ginit errichtet, wobei sie ursprünglich so gedacht waren,
dass man sie mit irgend etwas anstieß, so dass der Felshaufen nach vorn kippte
und die Angreifer unter sich verschütten sollte. Danach sollte der feindliche
Vormarsch durch die vielen nun entstandenen Löcher zum Stillstand gebracht
werden!“ Toragh seufzte. „Tja, leider war dieses Vorgehen tatsächlich von
Erfolg gekrönt.“ Angrosch jedoch wollte sich mit dieser Antwort noch immer
nicht zufrieden geben. „Na das fällt dir ja früh ein!“ Toragh blickte bestürzt
zu Angrosch. „Nun, es wurde angenommen, inzwischen seien alle Fallen verbraucht
worden, also ging ich auch davon aus.“ Toragh seufzte ein weiteres Mal, fasste
sich nun aber endlich wieder. „Und du solltest nicht gegen deines eigenen
Volkes Bruder zürnen, denn schon bald kann uns so etwas zum Verhängnis werden!“
Lange Zeit lagen sie wortlos in der Grube und es begann bereits zu dämmern. Der
mit grauen Wolken verhangene Himmel gab inzwischen einen Nieselregen frei, der
für die Zwerge nahezu ohrenbetäubend laut auf die Gitterstäbe aufzuschlagen
schien. Schließlich ergriff Angrosch das Wort: „Nun, Herr Geschichtskundler,
wie lange gedenkt ihr noch, regungslos in diesem Loch zu sitzen? Ich fürchte,
auf die Gitterstäbe unter uns macht der Regen nicht halb soviel Eindruck wie
auf uns, und ich würde auch nicht mit sonst irgendeinem Wunder rechnen, dass
diese Gitterstäbe unter uns zerspringen lässt!“ Toragh, der wohl gerade im Begriff
war, ein kleines Nickerchen zu halte, schreckte mit einem Grunzen auf und
wischte sich das Wasser vom Bart, der sofort darauf wieder von vielen kleinen
Tröpfchen benetzt wurde. „Tja, nach oben kommen wir nicht raus, und nach da
unten will ich eigentlich auch nicht.“ Toragh schob mit seinem Fuß ein kleines
Steinchen durch die Gitterstäbe, dass man erst nach einigen Sekunden
angespannter Stille unten aufkommen hörte, scheinbar etwas aus Metall. „Ich
warte in der Tat auf ein Wunder, obwohl die Chancen für ein Wunder tatsächlich
ziemlich hoch stehen. Ich warte darauf, dass die Zwerge aus Karaz Ginit auf
einer Patrouille in genau diese Falle hinein gucken. Ich meine, vielleicht
haben sie ja mitbekommen, dass eine alte Falle eingestürzt ist und wollen sich nach
dem Grund erkundigen...“ Angrosch sah ihn fassungslos an „Du hoffst, dass uns
die Zwerge aus KARAZ GINIT finden? Du hörst dich wie ein Freund der Verräter
an!“ „Aber, aber!“ warf Toragh ein, „sieh es doch mal so. Wenn sie uns nicht
töten, dann werden sie uns in ein Gefängnis stecken. Und Gefängnisse sind dafür
da, damit man aus ihnen ausbricht!“ Toragh lächelte über beide Wangen, doch
Angrosch brummte nur: „Ist das hier etwa kein Gefängnis?“
Je später es wurde, desto stärker wurde der Regen. Angrosch verfluchte die
Goblins, die ihm seinen Rucksack geklaut hatten, denn er hätte gerne die Wand
mit seiner Spitzhacke bearbeitet. Und wenn es auch nichts gebracht hätte, so
hätte er sich doch zumindest deutlich besser gefühlt. Toragh war inzwischen
tatsächlich eingeschlafen und Angrosch schüttelte ihn regelmäßig, weil er Angst
hatte, ihm würde zuviel Wasser in die Kehle laufen. Angrosch kratzte sich in
seiner Verzweiflung schon seit geraumer Zeit die Finger an der glitschigen Wand
wund, als er von vornherein als erfolglos ausgezeichnete Versuche unternahm,
irgendwie aus dem Loch zu klettern. Auf einmal aber hörte er das scheppern von
Metall und Stimmen, die allerdings noch ein Stück weit weg zu sein schienen und
daher auch nicht besonders laut waren. Toragh aber schnellte blitzartig aus
seinem Schlaf hoch und horchte, indem er den Kopf neigte und sich auf
Zehenspitzen stellte, soweit dies möglich war. „Ha, was hab ich dir gesagt? Das
ist Zwergenzunge, wir müssen irgendwie auf uns aufmerksam machen!“ Angrosch blieb
in seiner Ecke sitzen und beäugte den Alten misstrauisch, wie er sicher auf den
Gitterstäben nachdenkend auf und ab Schritt und nie auch nur den Anschein
machte, in eines der kleinen Löcher zwischen den Gittern hinein zu rutschen.
Schließlich drehte er sich ruckartig zu Angrosch um. „Ah, es ist doch so
einfach!“. Bemüht, seinen Kopf möglichst weit noch oben zu strecken, damit er
auch ja weit zu hören sei, fing er auf einmal an, laut zu Husten. Es war ein
Husten, wie man ihn nur hat, wenn sich gerade der Knochen einer Hühnerkeule,
den man aus Versehen mit gegessen hatte, in der Luftröhre entschließt, sich
quer zu stellen. Es dauerte auch nicht lange, bis die beiden Zwerge schnell
Schritte näher kommen hörten, während Angrosch durch heftiges auf den Rücken
klopfen versuchte, Toragh wieder still zu kriegen.
Die
Köpfe zweier Gestalten lugten über die Kante der Grube, aber Angrosch konnte
ihre Gesichter nicht erkennen. Es war zu hören, wie man sich beriet. Angrosch
kam die Sprache zwar bekannt vor, doch schien es ihm ein allzu merkwürdiger
Dialekt zu sein, als dass er ihn verstehen könne. Schließlich ließ man ein Seil
hinunter und ein dumpfes „Hinauf, Gesindel!“ war zu hören. Angrosch und Toragh
hatten ihre Mühe, das Seil hoch zu klettern, da sie über den Tag nur wenig
gegessen und daher kraftlos waren. Toragh wurde auf dem letzten Stück von
Angroschs Hilfe eher hochgezogen, als dass er hochgeklettert wäre. „Das hätte
ich auch noch alleine geschafft!“ brummte der Zwerg in den Bart, bevor seine
Aufmerksamkeit wieder den anderen Zwergen galt. Ihr Äußeres erschien, obwohl
doch typisch zwergisch, sehr imposant. Womöglich waren sie einen halben Kopf
größer als Angrosch und auch erschienen sie ziemlich breit, obwohl jedoch nicht
durch einen fetten Bauch (wie ihn viele Zwerge, wobei Angrosch und Toragh nur
in Ansätzen, hatten), sondern durch ihre natürliche Statur. Ihre Gesichter
waren mit Übergroßen Masken bedeckt, wie sie nur für Karaz Ginit typisch waren
und der Bart, der darunter hervor schaute, war auch ansehnlicher Länge. „Möge
Fipon nicht zulassen, dass unsere Schwächlichen Verwandten von Neuem gegen uns
hetzen!“ sagte der offensichtliche Anführer der Patrouille, „Sie mögen uns
folgen!“ Mit einem Wink kümmerten sich jeweils 2 vermummte Zwerge um Angrosch
und Toragh und sie wurden barsch über einen schmalen Gebirgspfad auf einen
großen Berg im Süden getrieben.
Es dämmerte schon, als sie endlich eine große Pforte, die in den massiven Fels
des Berges eingearbeitet war, erreichten. Während Toragh sich ob seines Nickerchens
in der Grube noch halbwegs wach halten konnte, war Angrosch schon nicht mehr
weit davon entfernt, bald im Gehen einzunicken. Um so heftiger wurde er von
seinen Bewachern angestachelt. „Wenn das alles solche Schlafmützen sind, würde
es ein leichtes sein, unser altes Reich wieder zurückzuerobern! Nicht nur das,
ein Marsch auf Karaz Kron wäre uns gewiss!“ Toragh hätte gerne mit einigen
scharfen Worten geantwortet, aber schien ihm das, nicht zuletzt aufgrund
Angroschs sowieso schon unangenehmen Lage, momentan unverantwortlich. Wenn sie
erst mal wieder bei Kräften waren, konnte man sich immer noch genauso schön
aufregen. Nachdem der Anführer der Patrouille vor das Tor getreten war, sprach
er einige mächtig klingende Worte in seinem Dialekt und langsam schob sich die
Tür auf. Als sie sich wieder in Bewegung setzten, fielen Angrosch in einem Raum
nahe der Tür einige Goblins auf, die schwitzend an einem großen Rad kurbelten
und somit die Tür wieder hinter ihnen verschlossen.
Karaz Ginit war anders, als Angrosch es sich vorgestellt hatte. Es war
„schrecklich schön“, schlimmer und doch anziehender als alles, was er im
Zwergenreich bisher gesehen hatte. Überall sah er Goblins fleißig herumwuseln,
die sich mit den verschiedensten Tätigkeiten befassten. Allem Anschein nach
waren sie die Arbeitstiere der Zwerge hier, aber es schien sie genauso wenig zu
stören wie die Zwerge das ständige Gequieke ihrer kreischenden Piepsstimmen.
Angrosch kam es fast so vor, als führte die Patrouille sie absichtlich durch
die halbe Stadt, denn von jedem wurden sie mindestens schief angeguckt,
manchmal sogar beschimpft. Erst nach einer Weile gelangten sie an eine weitere
Pforte. Silbrig glänzende Buchstaben darüber wiesen sie als den Eingang zu den
„Kammern der Richtbarkeit zu Karat Ginit, höchststaatliche Führung unter seiner
Erhabenheit König Draoul“ aus. Toragh verband den Namen Draoul mit nichts
gutem. Mittlerweile gute 15 Jahre an der Macht, war es kein Geheimnis mehr,
dass der Hass der Giniter (wie die Bewohner von Karaz Ginit genannt wurden)
gegen das vereinigte Zwergenreich von neuem aufgeflammt war und die Bedrohung
eines zweiten „Bruderkrieges“ immer näher rückte. Nun aber schreckte Toragh
wieder aus seinen Gedanken hoch, als das große Tor sich öffnete und laut die
Worte "Seine halbgöttliche Erhabenheit König Draoul von Karaz Ginit
verlangt, die Gefangenen zu sehen!“ verkündet wurden.
Das
innere des Gebäudes wirkte genau so riesig wie es schon von außen aussah,
obwohl doch nur das wichtigste darin untergebracht war: In einer Ecke entdeckte
man eine Warteecke, in der anderen war ein Raum für die Wachen vorgesehen. Ein
kleiner Empfangsschalter befand sich direkt neben einer Tür, welche zu den
Arbeitsräumen der Richter führte. Eine Treppe führte ein Stück weit nach oben
und endete abrupt vor einer Tür, die zum Gerichtssaal führte, welcher
allerdings auch für viele andere Dinge genutzt wurde.
Angrosch und Toragh wurden unsanft die Treppe hochgestoßen und durch die Tür
geführt. Auch der Gerichtssaal war riesig. Sitzreihen waren im Halbkreis um den
Zeugenstand angeordnet, auf denen mit Sicherheit einige Hundert die Prozesse
beobachten konnten. Ganz hinten im Raum erhob sich ein Thron, auf dem Angrosch
bereits beim reinkommen König Draoul entdeckte. In prunkvoller Aufmachung und
nicht minder imposant wie seine Wachen, nahm er sich nun den Zwergen an.
„Euch Gesindel hat man hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen,“ begann
der König, „und ich bin mir sicher, dass ihr auch die letzten für viele hundert
Jahre sein werdet!“ Er lachte kurz und dreckig. „Nun sagt es mir schon, was
wolltet ihr bei uns ausspionieren? Es scheint den Feiglingen in Karaz Kron doch
tatsächlich zu Ohren gekommen zu sein, dass ich eine etwas aggressivere Politik
als meine Vorgänger an den Tag lege! Sprecht und ich will es euch nicht
verdenken!“ Eine Weile herrschte Stille in der großen Halle. Toragh räusperte
sich schließlich. „Wir sind nicht vom Reich in eure Lande geschickt worden,
eher versuchten wir, es irgendwie zu umrunden, aber wir wurden gehindert. Ich muss
es euch ans Herz legen, uns möglichst bald wieder laufen zu lassen! Denn eine
uns unbekannte Macht scheint sich der Berge zwischen Valon und dem Zhuf Angaz
bemächtigen zu wollen. Und es entspricht der Wahrheit, wenn ich sage, dass
sogar eure Stadt von diesem Schrecken bedroht ist, denn ihn werden eure Krieger
nicht beeindrucken können!“ Draoul grinste ungläubig „Und so etwas soll ich
euch glauben? Ihr wollt, dass ich euch, nun, wo ihr schon viel zu viel gesehen
habt, einfach gehen lasse und mich hier verschanze? Oh nein, so geht das nicht!
Das ist doch nur ein Trick eurer inkompetenten Möchtegern-Könige! Aber ich habe
ihn durchschaut, ja, das habe ich!“ Der König bekam einen Glanz in die Augen,
der Bände sprach. Er schien sich tatsächlich für eine Art Halbgott zu halten.
Toragh trat einen Schritt vor. „Eure Ignoranz wird das Reich womöglich
schneller in den Ruin treiben als es gut ist! Und dann steht ihr da, völlig
ungeschützt von denen, die euch schon seit Jahrhunderten, wenn auch
unfreiwillig, den Rücken freihalten! Und dann werdet ihr in eurem Größenwahn
die wenigen Zwerge, die ihr in der Stadt leben lassen könnt über das ganze
Reich verteilen, und dort werden sie alle chancenlos erschlagen!“ Der König
stand wütend auf „Lügt mich nicht an! Kein Gegner kann uns bezwingen! Denn ich
bin der Herrscher und ich werde
dereinst wieder über das Reich gebieten! Fort! Werft sie in einen dunklen
Kerker, wo sie elendig verhungern sollen! Fort!“
Und so fanden sich Angrosch und Toragh schon wenig später in einer engen
Gefängniszelle wieder. Durch einen kleinen Spalt in der Wand, der jedoch schon
fast an der Decke lag, drang ein wenig Licht des anbrechenden Tages hinein,
aber es schien offensichtlich, dass es selbst bei sengender Sonne nicht viel
heller werden würde.
„Nun, was sollen wir jetzt tun?“ fragte Angrosch, „wenn Gefängnisse dafür da
sind, auszubrechen, dann ist das hier kein Gefängnis. Oder willst du dich da
oben durch den Spalt zwängen?“ „Nein, das gewiss nicht. Uns wird schon etwas
einfallen! Doch dafür brauchen wir einen klaren Geist, und den hast du im
Moment sicher nicht, denn du hast schon seit viel zu langer Zeit kein Auge mehr
zugetan. Also, schlaf jetzt, ich werde dich zu gegebener Zeit wecken!“ „Ja,“
brummte Angrosch, „lass uns hier nur verhungern und unsere letzten Tage damit
verbringen, unseren Geist klar zu schlafen!“ Dann legte er sich in die mit
einer dünnen Schicht Stroh gepolsterten Ecke und schlief, was ihn selbst
gewundert hätte, schon sehr bald ein.
Doch
zu Toraghs eigener Enttäuschung fiel ihnen tatsächlich nichts ein. Um sie herum
waren nur glatte Wände, gemauert von Zwergenhand, und nur mit einem Fenster
versehen, was dem größten Menschen zu hoch und dem kleinsten Goblin zu klein
war. Und die Tür war aus Zwergenstahl, mit einem kleinen aufklappbaren
Guckloch, damit man ihnen das Essen hereinreichen konnte. Und das Essen war
wahrlich karg. „“Wässriges Wasser!“ schimpfte Angrosch die Brühe, die sie
tagtäglich aufgetischt bekamen, dazu hin und wieder etwas Brot, manchmal aber
auch nur ein Haufen Getreidekörner. „Was hat dieser vermaledeite König mit uns
vor?“ entrüstete sich Angrosch „Will er uns hier verkommen lassen? Das glaube
ich kaum, denn das würde ihn nur Geld kosten, zumindest mehr, als uns einfach
enthaupten zu lassen! Ich verstehe das nicht!“ Toragh strich sich über den
Bart, während seine Stirn in Falten lag „Ich würde dir recht geben, aber die
Giniter sind schon lange verdorben, mit Sicherheit ein halbes Jahrtausend, und
wer weiß, wie sie inzwischen zum Gold stehen!“ Angroschs starrte in Richtung
Tür, aber sein Blick durchbohrte sie förmlich und verschwand in der Ferne.
Grinsend murmelte er: „Das wollen wir doch mal testen...“
Es war inzwischen Abend geworden und die beiden Zwerge saßen im Stroh und
beobachteten neugierig die Tür. Die Sonne, die noch immer durch das kleine
Fenster hereinschien, wanderte gerade über die obere Kannte des Gucklochs, als
Angrosch sich ihr vorsichtig näherte. Toraghs blieb verwundert sitzen. „Was
machst du da?“ Angrosch machte eine beschwichtigende Geste „Psst! Jetzt zeig
ich dir mal, wie man so was macht!“ Nun presste Angrosch sein Ohr an die Tür,
und für einen kurzen Moment zuckte er zurück, als er feststellen musste, wie
kalt der Stahl doch war. Nicht allzu viel später hörte er leise Schritte auf
dem Gang. Und noch während er Toragh selbstsicher angrinste, fing er aus voller
Brust an zu schreien: „Gold! Gold! Das gibt es doch nicht, wir haben Gold in
einer Gefängniszelle gefunden!“ Erfreut hörte er, wie die Schritte von draußen
lauter und schneller wurden und man schon das Rasseln eines Schlüsselbundes
hörte. Toragh verkroch sie weiter in die Ecke, in der er saß und verbarg sich
möglichst tief im Schatten.
Ein lautes klicken hallte in der Zelle wieder, als jemand ganz offensichtlich
die Tür aufschloss. Angrosch hatte sich inzwischen grinsend und mit zum Schlag
erhobener Hand neben die Tür gestellt. Mit einem Ruck flog die Tür auf, und
Angrosch verfehlte den hereinstürmenden Wächter nur knapp. Sofort wirbelte
dieser zu ihm herum und ließ seine Axt in seine Hand schnellen „Im Namen
unseres Königs und dem allmächtigen Fipon, ihr wagt es, deren treue Diener in
die Irre zu führen und ihnen hinterhältig aufzulauern? Dafür sollt ihr nun
büßen!“ Angrosch stand wie erstarrt vor dem Wächter, der seine Axt über seinen
Kopf schwang. Er kniff die Augen zu und kauerte sich zusammen, als er plötzlich
ein lautes Knacken vernahm. Nur langsam öffnete er die Augen wieder und
blinzelte vorsichtig im Raum herum. Vor sich auf dem Boden lag der Wächter, mit
einer unübersehbaren Delle in seiner linken Wange. Toragh hingegen hielt sich
mit schmerzverzehrtem Gesicht seine Hand. „Verdammt, meine alten Knochen sind
auch nicht mehr das, was sie einmal waren.“ Dann fing er sich wieder. „Nunja,
Hauptsache, wir können endlich hier raus!“ Und während er Angrosch mit einem
tadelnden Blick bedachte: "Aber das nächste mal weihst du mich ein
bisschen früher in deine Pläne ein...“
Der
Gefängnistrakt war genauso riesig wie der Rest der Stadt: Die Eisentüren und
–Gitter mindestens drei Schritt hoch, verschnörkelt und aufwendig gearbeitet.
Kleine Statuen waren in fast jede Nische eingearbeitet, die meistens dafür in
die Zwischenräume zwischen den Zellen geschlagen wurde. Die Decke befand sich
auch immerhin knappe 6 Schritt über dem Boden, und das war für die Verhältnisse
in dieser Stadt noch niedrig.
Doch
die beiden Zwerge konnten sich nur wundern, denn nur selten konnten sie eine
besetzte Zelle entdecken, fast alles war leer. Wofür brauchte man diese riesige
Anlage? Unmengen von Gold muss sie gekostet haben! Manch einer hätte sich damit
zufrieden gegeben, dass es noch eine alte Anlage aus der Zeit des Aufstandes
war, aber Toraghs kundigen Augen entging es keineswegs, dass einige Bereiche
des Gefängnisses weit später entstanden waren. Und außerdem hatten die Giniter
selbst in den Unruhigen Zeiten keine Gefängnisse gebraucht, denn ihre
Gefangenen starben meist schon wenige Stunden nach ihrer Gefangennahme,
vielleicht aus Grausamkeit, vielleicht aber auch einfach, weil das Durchfüttern
von Gefangenen zuviel kostete. Aber an solche Sachen konnte Toragh im Moment
gar nicht denken, und Angrosch hätte es wahrscheinlich nicht einmal versucht.
Allein
in einer Stadt, die man nicht kannte, umgeben von Feinden und in einem
verwinkelten Gefängnis zu stecken, bewegte Toragh im Moment mehr. Irgendwie
versuchte er, sich daran zu erinnern, welchen Weg die Wachen benutzt hatten,
als man sie hier hin führte. Aber schon nach der zweiten Wegkreuzung gab er
auf. Alles sah so gleich aus. „Ich hab’s dir doch gleich gesagt, hier kommen
wir so schnell nicht raus!“ spottete Angrosch, der sich inzwischen die kleinen
Statuen am Wegrand anguckte. Im Moment stand er vor einer besonders kleinen
Zelle, doch laut der Statueninschrift hielt man hier nicht solche fest, die man
vermutete. Die Statue zeigte einen stolz blickenden Zwerg, offensichtlich in
ein Kettenhemd gehüllt, sein Umhang flackerte im Wind. Seine Axt sah im
Vergleich zu seinem Körper richtig klein aus. Doch das wichtigste Detail saß
auf seinem Kopf: Die Königskrone von Karaz Kron! Angrosch schluckte, als er
sich der Statueninschrift widmete: „Hier lebte einst der größte Lügner unserer
Feinde! Sein eigenes Volk hat er belogen, und unser großer Führer Xargosch
führte ihn seiner gerechten Bestrafung zu! Fünf lange Jahre hauste er in seinem
Loch, das ihm angemessen war! Gerechtigkeit in unserer Welt!“ Darunter, in
kursiven Lettern: „Zelle von Stobar,
König von Karaz Kron und ärgster Feind der wahren Zwergenheit“ Toragh saß
in Gedanken versunken in der Mitte der Kreuzung. „Ja ja, meckere du nur! Auch
du hättest dir den Weg merken können, mit deinen jungen Jahren sollte dein
Gedächtnis noch ein wenig besser in Schuss sein als meines!“ Angrosch
antwortete nicht, doch bevor er sich der nächsten Statue widmen konnte, blieb
er abrupt stehen. Von den Wänden hallten, aus weiter Ferne, Schritte wieder.
„Psst!“
wisperte Toragh „Verdammt, daran hätten wir denken sollen! Natürlich haben sie
auch hier im Gefängnis noch ein paar Wachen stehen!“ Angrosch versuchte, sich
möglichst leise weiterzubewegen, stolperte jedoch und ging mit einem lauten
Plumps zu Boden. Die Schritte wurden schneller und kamen deutlich näher. „Du
Schussel! Na los, wir müssen uns verstecken!“ Angrosch rappelte sich vorsichtig
wieder hoch „Na du bist ja lustig! Wo willst du dich denn hier verstecken?“
Seine Blicke schweiften an den ebenen und glatten Wänden des Gefängnisses auf
und ab. Dann fiel sein Blick erneut auf die Statuen. Fest entschlossen griff er
nach einem Stein, die hier und da zum Glück auf dem Boden lagen, und schleuderte
ihn der König Stobar – Statue entgegen. Und tatsächlich: ein Teil von ihr brach
ab und Angrosch hievte sich, wenn auch mit Mühe, am Sockel hoch und nahm den
Platz des Königs ein. „Guck nicht so dumm, mach das auch!“ fauchte er Toragh
besserwisserisch an. Toragh brauchte ein paar Anläufe, bis er die gegenüber
liegende Statue endlich getroffen hatte, aber die brach dann ebenso ab. Erst,
als das Wiederhallen der Schritte schon zu einem lauten Dröhnen geworden war,
hatte er sich endlich auf seinen Platz gequält und versuchte, sich möglichst
bewegungslos zu verhalten. „Still jetzt!“ zischte Angrosch.
Schon
wenig später sahen sie einen langen Schatten auf den Boden der riesigen Gewölbe
fallen. Die Schritte verstummten nun, und für eine weile regte sich der
Schatten nicht vom Fleck. „Zeigt euch! Ich bin alt, doch nicht taub!“ hallte
eine drohende Stimme an den Wänden wieder. Angrosch verkniff es sich, an seinem
juckenden Bein zu kratzen, während Toragh als Statue ganz in seinem Element zu
sein schien. Nun waren wieder knirschende Schritte zu hören, und der Schatten
wankte von einer Seite zur anderen. „Seid gewarnt! Ihr zieht den Zorn Fipons
auf euch!“ Langsam schob sich der Wächter ins Blickfeld von Toragh und
Angrosch, die aber immer noch bewegungslos auf ihren Sockeln hockten. Genau
zwischen ihnen blieb der Wächter stehen. Misstrauisch äugte er zu beiden
Seiten. Ein Tropfen Angstschweiß löste sich von Angroschs Kinn und plumpste auf
den Boden. Für einen Moment hielt Angrosch den Atem an, aber zu seinem Glück
schien der Wächter nichts bemerkt zu haben. Dieser schien sich mittlerweile
mehr für Toragh als für Angrosch zu interessieren, und Angrosch versuchte, die
Gunst der Stunde zu nutzen. Schnell fuhr seine Hand runter ans Bein, welches
ihm schon schmerzte, denn er saß in der Hocke da, und kratzte sich ein paar
mal, ehe er die Hand genauso schnell wieder zurück schnellen ließ
Doch
als Angrosch die Hand gerade wieder zurück nahm, wirbelte der Wächter herum und
zeigte mit seinem Speer, so ungewöhnlich Angrosch diese Waffe auch fand, genau
auf ihn „Du bist enttarnt, Frevler! Gebt auf!“ Toragh blinzelte Angrosch
schnell zu, und dieser verstand es richtig und starrte weiterhin geradeaus ins
Leere. Der Wächter blieb einige Sekunden lang fast regungslos stehen. Ihm
schienen selbst Zweifel zu kommen, ob das da nicht wirklich eine Statue war.
Vorsichtig schob er sich vorwärts. „Nun gut,“ brummelte er unsicher, „so müsst
ihr nun sterben!“ Bald war der Abstand zur Speerspitze unerträglich klein für
Angrosch geworden, und es war schwer, weiterhin völlig gleichgültig da zu
sitzen und all das über sich ergehen zu lassen. Der Wächter aber hielt abermals
ein und betrachtete Angrosch von oben bis unten. „Andererseits, die richtige
Größe für die Statuen ist es ja.“ Sprach er zu sich selbst, wobei er vergaß,
dass die Statuen möglichst in Originalgröße geschaffen wurden. „Aber sah so
König Stobar aus? Hatte er nicht einen schwarzen Bart? Hm, nein, es sah sicher
immer nur so aus, ist ja so dunkel hier drinnen.“ Für Angrosch wurde es
inzwischen zu einer immensen Kraftanstrengung, nicht zu blinzeln, während der
Wächter immer noch grübelnd vor ihm stand. „Und hatte er nicht eine Krone auf
dem Haupt? Hm, womöglich ließ der König so etwas nicht zu, um nicht noch die
Macht seines Feindes zuzugeben!“ Aber ein Restzweifel blieb ihm doch. Doch er
wollte die Statue nicht beschädigen, und deshalb wollte er sie einfach nur
pieksen.
Langsam
bewegte er seinen Speer auf Angroschs Arm zu. Und gerade spürte Angrosch, wie
der kalte Stahl schon an seine Haut drückte, als ein ohrenbetäubendes Geräusch
durch das Gefängnisgewölbe drang. Angrosch erschien es, als ob alle Posaunen
und Trompeten des ganzen Zwergenreiches direkt neben seinem Ohr geblasen
wurden, und er zuckte erschrocken zurück. Ihm gleich tat es der Wächter, der
von Angroschs Bewegung scheinbar keinerlei Notiz genommen hatte. „Oha, eine
Versammlung! Wird der König endlich unseren Gegenschlag verkünden?“ Erfreut
wandte er sich von Angrosch ab und eilte den Gang entlang zurück, und schon bald
verhallten seine Schritte in der Ferne. Erst jetzt wagten Angrosch und Toragh
es, sich wieder zu bewegen. Angrosch pulte mit seinem Finger im Ohr herum „Was
war das denn? Können sie sich nicht auf ein kurzes Signal einigen, es ist doch
nicht nötig, gleich ein ganzes Blasorchester aus voller Lunge tröten zu
lassen!“ Danach kratzte er sich ausgiebig, war ihm auch gleich einen tadelnden
Blick von Toragh einbrachte. „Warum konntest du nicht an dir halten, du Tölpel?
Was, wenn er gleich zugestochen hätte? Das wäre das Ende für uns beide gewesen,
und wahrscheinlich sogar für das ganze Zwergenreich!“ Verlegen scharrte
Angrosch mit dem Fuß auf dem Boden herum. „Das wird nicht noch mal vorkommen,
Ehrenwort!“ – „Jaja,“ bedachte ihn Toragh, „wollen wir hoffen, dass es diesmal
auch stimmt! Und jetzt nichts wie raus hier! Reden von Zwergenkönigen sind zwar
lang, aber ewig haben wir keine Zeit!“ Und so eilten die beiden Zwerge schnell
in die Richtung, in die auch der Wächter geeilt war, in der Hoffnung, sich
nicht ein wenig später doch wieder an einer der unzähligen Kreuzungen zu
verlaufen.
Toragh
erstaunte es selbst, wie einfach der Weg eigentlich gewesen war, und deshalb
kamen sie recht zügig voran. Nur Angrosch hielt sie manchmal etwas auf, weil er
sich möglichst viele Inschriften unter den Statuen durchlesen wollte.
Schließlich aber gelangten sie an die Treppe, die sie vor einigen Tagen
heruntergeführt wurden, als man sie in ihre Zelle steckte. Toragh packte
Angrosch gerade noch an der Schulter und hielt ihn zurück, denn er ging schon
zielstrebig auf die große Doppeltür am oberen Ende zu. „Nicht so schnell! Hörst
du das nicht?“ Angrosch lauschte angestrengt und schlich sich langsam an die
Tür. Tatsächlich war von draußen leises Gemurmel und Gefiepse zu hören. Erschrocken
wandte er sich zu Toragh um. „Aber... ich dachte, sie wären alle bei dieser
Versammlung!“ Dieser nickte kurz und fuhr dann fort: „Ich glaube nicht, dass
Zwerge so klingen!“ er war einen Moment ruhig und man hörte erneut Fiepsstimmen
durch die Tür dringen. „Sie haben Goblins zur Bewachung abgestellt. Besser als
gar nichts! Damit werden wir leichter fertig als mit den Wächtern!“ – „Und was
gedenkst du zu tun? Wenn wir aus der Tür platzen, können wir auch gleich wieder
in die Zelle gehen!“ Toragh grinste „Jetzt pass mal auf!“
Toragh
drückte sein Ohr gegen die Tür und brummelte etwas in sich hinein. „Verdammt,
meine Ohren sind auch nicht mehr das, was sie mal waren! Die klingen ja alle
gleich da draußen! Horch du einmal, was meinst du, wie viele sind es?“ Angrosch
presste nun auch sein Ohr an die Tür, wobei er mit seinem Kopf an dieselbe
stieß. Für einen kurzen Moment verstummten draußen die Stimmen. Angrosch hielt
den Atem an und lauschte mit besorgtem Gesicht. Die Erleichterung war ihm
förmlich abzulesen, als endlich das Gemurmel wieder begann. „Nun, zwei oder
drei, mehr sind es nicht, würde ich sagen!“ Toragh nickte zufrieden „So, jetzt
muss alles schnell gehen, also hör zu! Auf drei werfen wir uns beide gegen die
Tür, und verpassen jedem Goblin da draußen eine ordentliche Kopfnuss!“ Die
Zwerge nickten sich zu und Toragh begann zu zählen. Bei drei warfen sie sich
beide mit voller Wucht gegen die Tür. Doch diese schlug nicht etwa ruckartig
auf, sondern schien sich damit Zeit zu lassen, dem Gewicht der Zwerge nachzugeben.
Die Zwerge lagen völlig entgeistert mit offenem Mund auf dem Boden und
beobachteten, wie sich die Tür unter lautem Quietschen langsam aufschob.
Die
drei Goblins auf der anderen Seite waren aber mindestens genauso überrascht.
Einige Sekunden lang starrten sich die beiden Seiten nur überrascht und
regungslos an. Toragh fing sich als erstes wieder. „Los, du Depp, jetzt oder
nie!“ Toragh sprang mit einem großen Satz einen Goblin um, während Angrosch
sich, noch immer nicht ganz wieder da, seinen Stiefel auszog, da er ihm sowieso
schon halb vom Fuß gerutscht war, und diesen ausgesprochen zielsicher dem
weiter entfernten Goblin ins Gesicht schmiss. Anschließend verfuhr er mit dem
letzten Goblin genauso wie Toragh es mit seinem tat. Toragh lag inzwischen
stöhnend auf dem Boden und versuchte, sich ans Kreuz zu fassen, aber seine
Körperfülle war ihm dabei im Weg. „Mist, mein Rücken! Ich glaube, ich bin für
solch eine Art von Abenteuer nicht mehr geschaffen. Ich könnte mich wirklich
mal hinsetzen, aber wir haben weder einen Stuhl, noch die Zeit! Erst müssen wir
hier raus!“ Angrosch stand inzwischen wieder und sah Toragh erwartungsvoll an.
„Nun steh nicht da und guck dumm! Helf mir hoch!“ Nur unter Schmerzen kam
Toragh wieder auf die Beine und humpelte ein paar Meter. „Das passt mir nun
wirklich nicht, nicht gerade jetzt!“ Und mit Angrosch als Stütze machten er
sich auf den Weg, den Ausgang zu finden, damit er sich recht bald ausruhen
konnte.
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